Text zu „reinkommen“ (3. November 2023) von Maia Joseph

 

Die vier stehen allein zusammen im Raum.

Die Streicherbegleitung und das Glockenspiel vermitteln die Spannung des Augenblicks, während die Augen ihrer Betrachter*innen sie beobachten.

 

Als die Energie zwischen ihnen vibriert, beginnen sie sich subtil zu bewegen, als ob ein Windhauch hereinkäme, der nur sie berührt. Er isoliert sanft jeden Teil ihrer Körper und bringt sie in der Mitte des Raumes näher zusammen.

 

Sie beginnen sich zu bewegen, als wären sie ein einziger Organismus, der Wind beginnt, dem Wasser zu ähneln, das durch uns fließt, und erzeugt Wellen und kurze Stopps in ihren Körpern. Ihre Bewegungen werden allmählich größer, ihre Köpfe suchen den Raum ab, manchmal scheinen sie von ihren einzelnen Körpern getrennt zu sein, sind aber dennoch als eine Einheit verbunden.

 

Sie spielen mit ihrer Struktur im Raum; manchmal verlässt eine*r die Gruppe für einen Moment, bevor sie sich wieder zusammenfindet, wie ein vergessener und dann wieder erinnerter Gedanke.

 

Allmählich beginnen sich die Wellen in ihren Körpern zu beruhigen und werden weniger.

 

Zwei von ihnen bewegen sich zur hinteren Wand und stellen ihre frühere Dynamik wieder her, als ob ihre Körper ein Gespräch führen würden. Eine*r bleibt allein in der Mitte, fast in Zeitlupe gehend, aber ohne Richtungssinn.

Ein*e andere*r sitzt auf dem Boden, der Körper beobachtet die anderen drei schweigend.

 

Während die Musik an Lautstärke zunimmt, verschränkt sich das hintere Paar, bis es sich auf den Boden legt. Die Person in der Mitte wird energischer, behält aber einen ruhigen, kontinuierlichen Fluss bei und lädt die/den stille*n Beobachter*in ein, aufzustehen und sich ihr anzuschließen.

 

Die beiden beginnen ihr eigenes Gespräch, ihre Bewegungen prallen aneinander ab. Sie bewegen sich zur hinteren Wand und eine*r beschließt, sich für einen Moment zu setzen, um der/dem anderen die Möglichkeit zu geben, den Raum auf eigene Faust zu erkunden. Nach einer Weile wandern die beiden wieder gemeinsam durch den Raum und setzen sich in die linke hintere Ecke der Bühne, schräg gegenüber der anderen Hälfte der Vierergruppe. Die beiden setzen sich und beginnen, das andere Paar zu beobachten, während sie den Boden verlassen und ein neues Tête-à-Tête anfangen, diesmal mit ihren Beobachter*innen von außen.

 

Mit einem Abstand zwischen ihnen bewegen sie sich langsam die Bühne hinunter, der endlose Strom in ihren Körpern beugt ihre Knie, isoliert ihre Brust und hebt ihre Arme in verschiedenen Rhythmen. Das andere Paar bleibt zusammen in der vorderen Ecke sitzen und wiegt sich sanft.

 

Der Gesichtsausdruck eines der beiden, die sich nach vorne bewegt haben, ändert sich. Plötzlich sind deren Augen neugierig und die Gesten entwickeln sich zu größeren Bewegungen mit einem schwereren Groove. Die anderen drei folgen ihr/ihm und schließen sich an. Mehrmals werden die Hände hochgehoben, die Handflächen dem Publikum zugewandt, fast so, als würde man eine Einladung aussprechen.

 

Nach und nach bewegt sich das ganze stehende Quartett im Raum, während es wellenartige Linien in den Diagonalen kreiert, bis es ein Bündel bildet. Jede*r von ihnen hat eine Hand an einem Körperteil der anderen, und es ist das erste Mal, dass wir erleben, dass sich die vier berühren. Ihre Körper rollen in eine Formation und wieder heraus, mit dem Kopf voran, während sie ihre lebendige Struktur drehen, immer auf der Suche.

 

Langsam lösen sie sich nahtlos in zwei verschiedene Konstellationen auf, ein Paar im hinteren, das andere im vorderen Raum. Beide Paare halten sich aneinander fest und finden mit verschränkten Gliedern den Weg zum Boden. Nur ein leises Brummen ist zu hören, und für einen Moment ist es still im Raum.

 

Es fühlt sich wie ein Eindringen an, sie zu beobachten.

 

Dann hören wir sie miteinander flüstern, ihr Dialog ist noch nicht ganz zu entziffern. Und dann ist es klar. Sie bitten sich gegenseitig um die Erlaubnis, ihre Position in irgendeiner Weise zu verändern, sei es ihr ganzer Körper oder nur ein Körperteil. Wenn eine Person eine Frage stellt, scheint die Antwort immer ein zögerndes "Ja" zu sein. In dieser Szene wird die Musik lauter und verzerrt, während die Grenzen zwischen dem, was als einvernehmlich akzeptiert werden kann, und dem, was es nicht ist, verschwimmen. Die unbestreitbaren Ja-Worte werden implizit und die Handlung beginnt, bevor die Frage vollständig gestellt bzw. formuliert werden kann. Infolgedessen finden sie sich in einer endlosen Reihe von kompromittierenden Positionen wieder. Die Lichter gehen langsam aus, und wir bleiben zurück mit unbeantworteten Fragen.

 

Sollen wir es hier beenden?

 

...ja.

 

 

The four stand alone together in the room.

The strings accompaniment and the chimes convey the suspense of the moment, as the eyes of their viewers observe them.

 

As the energy between them vibrates, they begin to move subtly, as if a breeze came in, affecting them only. As it gently isolates each part of their bodies, it brings them closer together in the center of the space.

 

They begin to move as if they are one organism, the wind starting to resemble the water that flows through us, creating ripples and short stops in their bodies. Their movements slowly become bigger, their heads search the space, sometimes appearing disconnected to their singular bodies, but still connected as one entity.

 

They play with their structure in the space; sometimes one leaves the group for a moment before reuniting once more, like a thought forgotten and then remembered.

 

Gradually, the waves in their bodies begin to settle down and become less.

 

Two of them move towards the back wall and rebuild their previous dynamics, as if their bodies were having a conversation. One stays alone in the center, almost walking in slow motion but with no sense of direction.

Another is sitting on the floor, their body silently observing the other three.

 

As the music increases in volume, the pair in the back join together in an entanglement, until they settle to lie down on the floor. The central mover becomes more energetic but maintains a calm continuous flow, inviting the one who was quietly observing to stand up, and join them.

 

The two begin their own conversation, their movements bouncing off of one another. They move towards the back wall and one decides to sit down for a moment, giving the other a chance to explore the space on their own. After a while the two travel through the space together once more and sit in the top left corner of the stage, diagonally opposite of the other half of the four.

The two sit down and begin to observe the other pair as they leave the floor and start a new tête-à-tête, this time with their outside observers.

 

With a distance between them, they slowly move downstage, the endless stream in their bodies bends their knees, isolates their chests and raises their arms in different rhythms. The other pair remain sitting together in the front corner, swaying softly.

 

There is a change of facial expression from one of the two movers who were traveling towards the front. Suddenly their eyes are curious and their gestures develop into bigger movements with a heavier groove. The other three follow suit and join them. Several times, hands were raised up, palms facing their surrounding audience, almost as if offering an invitation.

 

Gradually the standing quartet travel in the space, creating ripples of lines in diagonals until they form a cluster. They each have a hand on some part of one another and it's the first time we experience the four of them touch. Their bodies roll in and out of their formation, head first, as they rotate their lively structure, always searching.

 

Slowly they seamlessly disperse into two different constellations, one pair in the back, the other in the frontal space. Both pairs hold onto one another, and find their way to the floor, limbs entertained. Only a soft humming can be heard, and for a moment, the room is still.

 

It feels like an intrusion to watch them.

 

Then we hear them whisper to one another, their dialogue not yet quite decipherable. And then it is clear. They ask each other for consent to change their position in some way, whether it be their whole shape, or just one body part. When one asks a question, the answer always seems to be a hesitant "yes". In this scene, the music becomes louder and distorted as the lines between what can be accepted as consensual and what isn't becomes blurred. The undeniable yeses become implied, and the action starts to happen before the question can be fully asked, or formed. As a consequence, they find themselves in an endless bunch of compromising positions. The lights slowly fade out and we are left merely with unanswered questions.

 

Should we end this here?

 

....yes.


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