Text zu "reinkommen on screen" (11.-13. Dezember 2020) von Anuya Rane

 

Vom 11. bis 13. Dezember 2020 stellte Lore Dekeyser mit drei Tänzerinnen, Liv Haumann, Greta Schuster und Kerri Fritzsimons, ihre Recherchearbeit "Little Movements" im Rahmen von "reinkommen on screen" vor. Selbstverständlich nochmal online.

 

Das Bild (bei gefilmten Arbeiten wäre es wahrscheinlich angemessener, technische/Film betreffende Begriffe zu nutzen…) / die Performance öffnet sich grandios, als säße man im Theater und der Vorhang hebt sich, um die Bühne zu enthüllen, auf der drei Tänzerinnen zu sehen sind. Sie erscheinen als Skulpturen. Drei hübsche weibliche Figuren brachten mich in Gedanken zu „Les trois Grâces“, die Hellenistische Skulptur von drei eleganten Frauen mit femininen Körpern. Die drei Tänzerinnen hier tragen körperbetonte schwarze Röcke und bunte Oberteile. Zwei davon sind kurze Röcke und der dritte ein schmaler, geschlitzter langer Rock. Die Haare sind ordentlich gebunden. Die Haltung mit geknicktem Knie, um den Oberkörper geschlungene Hände, die sich vor der Brust kreuzen, wobei eine quer zum Ohr reicht, während die andere auf dem Oberarm ruht. Auf der einen Seite ist es höchst klassisch, auf der anderen Seite aber auch unverhohlen sinnlich. Die Erwartungen sind hochgeschraubt. Was passiert jetzt…


Mit dem artigen Anfang ist es fast klar, dass bald wahnsinnig getanzt wird. Doch der Titel zur Performance lautet "Little Movements". Zu meiner Überraschung tanzen sie ausgiebig mit angemessenen, kleinen Bewegungen. Aus der Anfangspose kommen sie mit kleinen, repetitiven Phrasen, eine nach der anderen, heraus. Die Stille ist durch das Bewegen gebrochen. Erst danach kommt die Musik; ansteckendes Trommeln. Langsam bewegen sie die Hüften. Die Sinnlichkeit bleibt, obwohl es kein sinnlicher Frauen-Tanz ist. Der Tanz an sich ist lustvoll und einladend.


Zurück zur Performance: Die Bewegungen werden vielfältig, wobei sich die wiederholenden Gesten beharrlich behaupten. Eine tanzt, während die anderen still bleiben oder sich ganz minimal bewegen. Und so wechseln sie sich ab, bis irgendwann alle zusammen stürmisch tanzen. Dieses Modul wiederholt sich durch die gesamten 15 Minuten. Obwohl es mir jedes Mal überraschend vorkommt, da die Choreografin die Feinheiten des Tanzes ganz klug unterbringt. Sie besteht darauf, die repetitiven Gesten synchronisiert zu nutzen, allerdings ist sie sich bewusst, dass jeder Körper jede Nuance ganz einzigartig interpretiert.


Die Besonderheit ist, dass die Choreografin ihre Tänzerinnen sich ausdrücken lässt. Selbst wenn es ein ausführliches Tanz-Stück ist, ist es eine Art Theater. Was mir meistens bei den Tanz-Aufführungen fehlt, ist die verwickelte Nutzung der feinen Muskeln, im Besonderen die mimetischen Muskeln. Bei diesem Stück sind sie im Spiel. Jede der drei Tänzerinnen hat einen Solo-Moment, im dem sich ihre Gesichter individuell  ausdrücken. Sie bewegen die Augen, die Augenbrauen, den Mund, die Zunge usw. Dabei machen sie sich lustig, erzählen eine Geschichte oder haben einen kleinen Dialog mit sich selbst. Unabhängig von der beabsichtigten Wirkung verliert man sich aber auch verliebt in die drei Gesichter.


Die Musik, wie bereits erwähnt, ist ansteckend. Nicht nur für die Tänzerinnen, sondern auch für die Zuschauenden. Es hat ein feierliches Gefühl. Alle Tanz-Phrasen sind sehr schön choreografiert, wodurch die Tänzerinnen sich freigebig die Seele aus dem Leib tanzen, als ob es eine Party wäre Die Formationen haben etwas Folkloristisches an sich. Zu diesem Rausch kommen die stillen Momente. Die Nuancen sind so wunderbar verkoppelt, dass es schwierig wird, die Intensität zwischen dem Motiv und der Handlung zu erkennen.


Lore Dekeyser, die Choreografin, hat in den vergangenen Wochen bestimmt tief in Gedanken geschwelgt. Die Arbeit ist wahrscheinlich noch nicht fertig, da es sich um ein "work in process" handelt. Übrigens ist das gesamte Spiel ist ein mühelos intrinsischer Ausdruck von Freude. Die "Little Movements" machen eine "Big Impression".


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