Text zu ada goes garage - "reinkommen on screen" (20.-22. November 2020) von Anuya Rane

 

 

Vom 20. bis 22. November 2020 stellte Maria Walser ihre Recherchearbeit im Rahmen von ada goes garage - "reinkommen on screen" vor.

 

Am Samstag saß ich wieder vor meinem Computer. Noch ein Video-Streaming  einer Performance. Die Aufregung ist gerade groß, da trotz der Einschränkungen die künstlerische Arbeit in irgendeiner Weise sichtbar werden soll. Allerdings auf keinen Fall in der Form, die geplant war. Vorgefilmtes Video-Material, manchmal die ganzen Stücke, manchmal ein Teil davon, alles, was veröffentlicht und betrachtet werden kann. Wenn nicht real, zumindest ein virtueller Austausch. Austausch, der ungreifbar ist. Was ist es wert, wenn es unfassbar ist, welche und wie viele Menschen es erreicht hat. Aber wiederum wurden der kreative Prozess gefördert und die künstlerische Arbeit unterstützt und die Zuschauer*innen-Kapazität maximiert (wenn die Kanäle gut ausgenutzt sind). Das übrigens ist Gold wert. Aus dieser Perspektive ist der momentane Zustand keine Stille, sondern ein Fortschritt. Wir sollten davon ausgehen, dass die Umstände nicht so schädlich sind, wie viele sagen… Ein echtes Tohuwabohu. Genau darum ging es am Wochenende, als Maria Walser ihre performative Recherche „IN JEDEM URSPRUNG LIEGT DAS CHAOS (ODER ANDERSRUM)“, in der Reihe ada goes garage - "reinkommen on screen" via Video-Stream präsentierte.

 

Chaos ist überall und in allem. Am Anfang schon war Chaos oder war der Anfang selbst Chaos. Aus dem Chaos stammt das Bedürfnis nach Ordnung. Das Ungeordnete ist der Anlass zur Ordnung. Dafür müssen wir jedoch das Chaos nicht erfinden. Wie Maria Walser es beschreibt, es liegt in jedem von uns. Es ist unsere Verbindung mit der Welt. Die Welt, die Maria Walser vor uns eröffnet, ist chaotisch, verrückt, laut, überwiegend ein wenig lustig. Ein Raum voller Kram. Eine Menge Gegenstände sind zufällig im ganzen Raum verteilt. Sie gehören zu dem Ort, den Menschen, doch sind sie ein bisschen sonderbar. Die beiden, Maria Walser und ihr Tanz-Partner Mathis Kleinschnittger, treten zusammen auf die Dinge, lassen die Dinge fallen, befinden sich unter und über den Dingen. Mühsam versuchen sie sie zu ordnen und all der Kram. Dabei erzählen sie Geschichten. Lesen aus Büchern vor. Konfrontieren die Kamera. All das Drama!

 

Tatsächlich, es ist sehr dramatisch. Wie sonst könnte man mit Störungen umgehen… Die Objekte hier im Spiel bestehen aus alltäglichen Dingen wie Tischen, Stühlen, Matten, Kissen usw. Sie ergeben das Heimatgefühl. Etwas Gewöhnliches, Bekanntes. Wozu das ganze Durcheinander…  Das Tänzer*innen-Paar bewegt sich durch diese Unruhe mit Gelassenheit. Sie bewegen sich nicht selbst, sondern die Bewegungen passieren ihnen. Sie öffnen ein unbegrenztes, nichtlineares Gebiet. Der Pendel-Effekt der schwankenden Körper kommt von der Rückstellkraft-Dynamik. Von außen betrachtet ist es eine Spirale. Auch wenn sie es wollen, sie können aus dieser Beeinträchtigung nicht heraus kommen. Genau darin liegt der Impuls, sich zu bewegen, in Gang zu setzen, etwas zu verändern.

 

Maria Walser ist eine gute Schauspielerin. Es gelingt ihr, dieses verrückte, theatralische Spiel real erscheinen zu lassen. Sie überrascht uns. Als sie direkt vor der Kamera steht, erzählt sie nichts anderes als das Geschehene. Trotzdem, diese Konfrontation ist besonders. Sie wirkt, als ob sie woanders sei, bleibt aber weiterhin in diesem Chaos. Ehrlich gesagt, dieser Trödel ist auch lustig und nicht ausschließlich schwerwiegend.

 

Die Tänzer*innen nutzen den Raum voll aus. Sie schaffen eine harmonische Beziehung zueinander und den sie umgebenden Objekten. Ihre Körperbewegungen sind Reaktionen aufeinander, jedoch sehr organisch und unabhängig voneinander. Jeder einzelne von den zufällig herumliegenden Gegenständen findet einen Zweck, dort zu sein. Erstaunlicherweise gibt es das Gefühl, nicht mehr in ihrem Drama zu sein und sich in ihrer eigenen Umgebung, ihrem Zuhause, in ihrem eigenen Wesen zu befinden. Der Drang, ein Gleichgewicht zu finden, kann nie ganz befriedigt werden. Die Philosophie der Dualität kommt uns zu Hilfe, wobei die Dualität die Ursache dafür ist, die Einheit zu finden. Zwei verschiedene Zustände müssen existieren, um einen einzigen Zustand zu provozieren, der das Ergebnis der Interaktion zwischen den beiden ist. 


Das ada Studio wird seit 2008 als Produktionsort von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt gefördert.


 

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