Text zu "reinkommen" von und mit Johanna Ackva (16. Oktober 2020) von Anuya Rane

 

 

Es geht weiter. Die Performancereihe "reinkommen" wird intensiver und spannender, insbesondere angesichts der Situation der Corona-Krise. Am 16. Oktober zeigte Johanna Ackva ihre Recherchearbeit im ada Studio vor kleinem Publikum. Trotz der geringen Zahl fühlte es sich wie etwas bekanntes an, das gang und gäbe ist. Und es war auch passend zur Performance.


Es war ein verregneter Tag. Schon kurz vor 18 Uhr war es ziemlich dunkel. Überall nass, es war auch ein wenig kalt. Unter diesen Umständen, in dieser Stimmung, betraten wir das Studio. Ein krasser Gegensatz, hier war Licht, Ruhe und es war trocken. Die hellen Studiowände, die von oben schwebenden, im Studio verteilten Stoffbahnen, beleuchtet durch das Licht des Videoprojektors, machten alles ruhig und gelassen. Eine einladende Installation. Auf den Stoffbahnen war eine atemberaubende Landschaftsaufnahme zu sehen. Ein Feld mit Gras, das mit dem schnell wehenden Wind davonschwankte. Beruhigende und lebendige Landschaft. Vor einer der Stoffbahnen saß die Künstlerin auf einem Stuhl und stickte sorgfältig ein paar Worte auf eine Stoffbahn. Sie trug eine weiße Jacke mit Kapuze und machte sich selbst zum Teil der Installation. Anders als Schönheit kann ich es nicht beschreiben.


Die Stoffbahnen hingen kreuz und quer im Raum. Das Publikum, acht Besucher*innen, bildete fast einen Kreis um diese Installation. Jede*r hatte eine andere Sicht, eine eigene Perspektive. Von dort, wo ich saß, konnte ich die Künstlerin gut beobachten und fast alle Stoffe sehen. Jedoch hinter der "Haupt-Stoffbahn" versteckte sich ein Glaswürfel mit irgendwelchen Wurzeln, Ästen. Ehrlich gesagt, es nicht zu sehen, machte für mich keinen Unterschied in der Wahrnehmung dessen, was vor mir präsentiert wurde.


Die Stille ist eine seltsame Sache. Sie kann sowohl durchweg ein düsteres Bild zeichnen, als auch kontemplativ machen, um zur Erleuchtung zu gelangen. Das leere Feld, ganz ohne Lebenszeichen, steht offensichtlich symbolisch für die Einsamkeit, die Leere. Dennoch, von einem anderen Sichtpunkt aus gesehen, lädt es zum Leben und zur Fülle ein. Johanna fokussiert mit diesem Projekt auf das Umgehen mit Tod, die Beziehung zwischen Sterben und Leben. Allerdings, jede*r in seinem* Leben muss sich auf seine* eigene Art und Weise mit dem Tod konfrontieren, seinem* eigenen Tod, wenn er sein* Gefühl und seinen* Verstand verloren hat. Die Erfahrung wird gemacht, ohne es zu erleben. Trotz dessen beschäftigen wir uns lebenslang, mal bewusst, mal unbewusst, mit dem Thema, wie die Künstlerin. Die Entscheidung, dieses Thema zu verkörpern, erweist sich als mutig. Die Empfindsamkeit jedes Körpers und jedes Geistes ist individuell.


Die Künstlerin bewegt sich behutsam durch den Raum. Ihre Körpersprache ist sanftmütig. Bewegend und kriechend auf dem Boden, hält sie den irdischen Kontakt, das Fundament unseres Seins. Laut der Beschreibung ihrer Arbeit und wie sie es dem Publikum nach der Performance mitgeteilt hat, hat sie sich mit verschiedenen Menschen unterhalten, hat Interviews geführt, Gegenstände gesammelt. Dieses ganze Material erscheint als Buch. Davon abgesehen verlangte ihr Körper wohl Freiheit. Genau so wie das Bedürfnis, die Verbindung zum Ableben zu assimilieren, ist auch die Aufgabe, sich davon zu befreien, bedeutsam.


Diese Performance-Installation ist aus meiner Sicht komplett, durch die Methoden-/Medien-Mischung, und sie ist gleichzeitig komplex, da die Universalität des Themas zur Subjektivität schrumpft. Es ist eine Ode an die Natur. Die Natur, die jede*r für sich beschreibt. Im Laufe der Performance gab es wenig bis keine Musik. Aber seltsamerweise, während eines langen Momentes, hat man das Zwitschern von Vögeln gehört. Natürlich passend zu der Landschaftsaufnahme, als ob es entweder das Ende ist oder ein Anfang.


Ich bin eine Film-Liebhaberin, interessiert an allen Genres, einschließlich abstrakter dokumentarischer Arbeiten. Zufälligerweise war ich Anfang des Jahres Jurymitglied beim Berlinale-Forum und hatte eine hohe Dosis von nicht-bewegenden Filmen. Einfach stille Bilder auf der Leinwand; es passiert nichts, jedoch passiert viel. Entweder kommt die Langeweile an die Macht oder eine tiefe Betrachtung. Die Arbeit von Johanna hat dieselbe Wirkung. Zumindest ich habe es genossen. Zeitweise habe ich mir gewünscht, dass die Bewegung aufhört und wir nur mit dem Bild allein gelassen werden. Damit hätte die Künstlerin uns zwar beunruhigt, es uns unbehaglich gemacht. Was jede*r aus einer solchen Veranstaltung mitnimmt, ist unerklärbar. Im Zweifel, ob es dargestellt werden kann, die Gelegenheit zu ergreifen, in die eigene Seele zu blicken. "Aus dem, was sprachfähig war" heißt das Buch (die Sammlung der Recherche, die publiziert ist), das ich mitgenommen habe, und ich versuche zu erkennen, was tatsächlich sprachfähig ist.


Das ada Studio wird seit 2008 als Produktionsort von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt gefördert.


 

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