Text zu neworks - Aesthetics of Access #1: „SPK - der Sommer Phuong Komplex“ (15./16. März 2024) von Gast-Studioschreiberin Camilla Pölzer

 

Eintauchen in die Welt von Fungi Fung 

 

„SPK - der Sommer Phuong Komplex“ ist das erste Stück der neuen Reihe „neworks - Aesthetics of Access“ im ada Studio, kuratiert von Liisi Hint und Maria Ladopoulos. In der Performance beschäftigen sich Dasniya Sommer und Fungi Fung mit der gelebten Realität von Bipolarität und benutzen als Access Tool Leichte Sprache.

 

Am Einlass wird mir und den anderen Zuschauer*innen ein heißer Stein angeboten. Ich nehme ihn gerne an. 

Auf der leeren Bühne sitzen zwei Performerinnen. Sie sind mit vielen dünnen Seilen zusammengeknotet. Die Köpfe sind eingesperrt mit einer aus Duplosteinen (große Legosteine) gebauten Festung. Langsam beginnen die Körper sich zu bewegen; die Finger lösen die vielen Knoten. Die Seile waren sehr eng um die Körper geschnürt; als sie gelöst sind, ist ein Atem zu hören: Wie gut, denke ich. 

Die beiden gesichtslosen und befreiten Körper beginnen den Raum zu erkunden.

Fungi, eine der Performerinnen, umarmt Dasniya von hinten. Es ist ein gewaltvolles Umarmen. Dabei zerbrechen die Festungen, man sieht die Gesichter, die Duplosteine verteilen sich im Bühnenraum und sind nur noch Spielsteine. Der umarmende Körper lässt los, kommt erneut und die letzten „Festungsmauern“ zerbrechen. Die dritte Umarmung ist sanfter.

Es folgen Kampfsportübungen. Die beiden Performerinnen kämpfen miteinander und gegeneinander. Die Arme greifen ineinander, halten sich und lassen sich wieder gehen. Es ist eine hohe Anspannung in den Körpern. Die Qualität der Bewegungen und des Miteinanders wechselt schnell von Vertrauen zum Kampf. Immer wieder hört man die Duplosteine über den Boden gleiten, wenn die Körper diese durch den Raum schieben. Fungi stoppt und beginnt ein Gedicht aufzusagen. „Auf niederländisch?“ frage ich mich. Sie bricht ab, zieht einen Zettel aus Dasniyas Hosentasche und liest den Text vor. Es ist ein selbstgeschriebenes Gedicht, dass mich sehr berührt und ich habe den Eindruck, sie ebenfalls. Es geht um betäubte Gedanken durch Medikamente, um Kindheit, Jugend und Steine und ich habe direkt die Referenz zu dem warmen Stein in meiner Hand. 

Ich fühle mich geehrt, es hören zu dürfen und einen Einblick in ihre Gedanken und Gefühlswelt zu bekommen. 

Es folgt eine Szene, in der Dasniya von Fungi wie eine Balletttänzerin hochgehoben wird und auch wenn ihr das sichtlich nicht guttut, lächelt sie bei jedem Sprung. Mein Gefühl sagt mir, dass sie über ihre (körperlichen) Grenzen geht. Es wirkt absurd und ich und einige andere Zuschauer*innen müssen schmunzeln. 

Die Bühne wird dunkel und über die Lautsprecher ertönt ein aufgenommenes Interview zwischen Dasniya und Fungi. Fungi spricht über die depressiven und manischen Phasen ihrer Bipolarität. Ich fühle mich durch die Art, wie sie über die Krankheit spricht, sehr mit ihr verbunden. 

Das Gesprochene wird in leichte Sprache übersetzt und auf die Wand projiziert. Die Sätze in leichter Sprache haben einen anderen Rhythmus als die gesprochenen Worte. Für mich spannend, dass das gesprochene Wort viel schneller läuft als die leichter Sprache. Ich kann das Gehörte zeitversetzt nochmal lesen und tiefer einsteigen. 

Währenddessen bindet sich Fungi einen runden Sitzsack auf den Rücken wie einen Schildkrötenpanzer. Sofort verknüpft mein Gehirn das Bild mit Depressionen. Betroffene Menschen beschreiben die Depression oft als einen schweren Sack, der auf den Körper drückt und einen nicht aufstehen lässt. Ich habe jedoch das Gefühl, dass Fungi einen Weg gefunden hat, mit dem Panzer zu leben – Sie tanzt mit ihm auf dem Rücken. 

Das letzte Bild: Fungi und Dasniya knoten sich wieder zusammen, verbinden sich.

 

Für mich erzählte die Performance das innerliche und äußerliche Ringen mit der Bipolarität von Fungi und ihren Umgang damit. Mein Eindruck war, dass sie in dem Stück selbst entschieden hat, wie viel sie mit uns teilen möchte. 

 

 

Diving into the world of Fungi Fung

 

"SPK - der Sommer Phuong Komplex" is the first piece of the new performance series "neworks - Aesthetics of Access" at ada studio, curated by Liisi Hint and Maria Ladopoulos. In the performance, Dasniya Sommer and Fungi Fung deal with the lived reality of bipolarity and use easy language as an access tool.

 

At the entrance, I and the other spectators are offered a hot stone. I gladly accept it. 

Two performers are sitting on the empty stage. They are tied together with many thin ropes. Their heads are locked in a fortress made of Duplo bricks (large Lego bricks). Slowly, the bodies begin to move; the fingers untie the many knots. The ropes were tied very tightly around the bodies; when they are untied, a breath can be heard: How good, I think. 

The two faceless and released bodies begin to explore the space.

Fungi, one of the performers, embraces Dasniya from behind. It is a violent embrace. The fortresses break, the faces can be seen, the Duplo bricks scatter around the stage and become nothing more than toy bricks. The embracing body lets go, comes back and the last "fortress walls" shatter. The third embrace is gentler.

Martial arts exercises follow. The two performers fight with and against each other. Their arms interlock, hold each other and let go again. There is a high level of tension in their bodies. The quality of the movements and togetherness quickly changes from trust to fighting. Again and again you can hear the Duplo bricks sliding across the floor as the bodies push them through the space. Fungi stops and begins to recite a poem. "In Dutch?" I ask myself. She stops, pulls a piece of paper out of Dasniya's trouser pocket and reads the text aloud. It's a self-written poem that touches me deeply and I get the impression that it touches her too. It is about numbed thoughts through medication, about childhood, youth and stones and I have a direct reference to the warm stone in my hand. 

I feel honoured to be able to listen to it and to gain an insight into her thoughts and emotional world. 

A scene follows in which Dasniya is lifted up by Fungi like a ballet dancer and even though this is clearly not good for her, she smiles with every jump. My feeling is that she is pushing her (physical) boundaries. It seems absurd and I and some other audience members have to smile. 

The stage goes dark and a recorded interview between Dasniya and Fungi plays over the speakers. Fungi talks about the depressive and manic phases of her bipolarity. The way she talks about the illness makes me feel very connected to her. 

What she says is translated into easy language and projected onto the wall. The sentences in easy language have a different rhythm to the spoken words. I find it exciting that the spoken word moves much faster than the easy language. I can read what I have heard again with a time delay and delve deeper. 

Meanwhile, Fungi ties a round beanbag to her back like a tortoise shell. My brain immediately associates the image with depression. People with depression often describe it as a heavy bag that presses down on the body and won't let you get up. However, I have the feeling that Fungi has found a way to live with the shell - she dances with it on her back. 

The last image: Fungi and Dasniya knot themselves together again, they connect.

 

For me, the performance told the story of Fungi's inner and outer struggle with bipolarity and how she deals with it. My impression was that she decided for herself how much she wanted to share with us. 


Das ada Studio wird seit 2008 als Produktionsort von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt gefördert.


 

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