Text zu "reinkommen on screen" (26.-28. März 2021) von Anuya Rane

 

Mit dem „work in progress“ von Anja Kolmanics und Linda Scholz vom 26. bis 28. März 2021 sind wir wieder mal in der Reihe „reinkommen on screen“ zu Gast. „Where the word is a word is a word is a tongue…“ wurde online gezeigt.

 

Anja Kolmanics und Linda Scholz zeigen eine komplexe Rechercharbeit. Wie sie präsentiert wurde, macht es schwer, sie als einteilig zu betrachten. Die Performance läuft durch ohne Pause oder irgendeine Art Unterbrechung. Die circa 40 Minuten strömen unaufhörlich, wobei die Phasen (/Phrasen) auseinandergetrennt sein könnten, und sie erzeugen dabei einen heftigen Drang, bei jedem Moment eine Zeitlang zu verweilen.

Als erstes kümmern wir uns um den Titel: „Where the word is a word is a word is a tongue…“. Besonders faszinierend ist „Word“, „Wort“, eine Besonderheit. Wort liefert Bedeutung, spezifische Bedeutung, Sprache. Sprache ist nicht allgemein, sondern spezifisch. Sie hat einen soziokulturellen Hintergrund, eine Geschichte, einen Charakter. Der Punkt ist hier, dass der Titel in Englisch ist, während die Tänzer*innen Worte, Phrasen in Deutsch rezitieren. Die implizite Bedeutung des Titels legt den Schwerpunkt auf das Wort und seine Spezifität, seine Natur, die sich offenbar von Sprache zu Sprache unterscheidet. Doch wonach fragen wir hier? Nach dem Wort, der Sprache, die den Gedanken verkörpert oder nach den demonstrativen Bewegungen, die das verkörpern, was die Wörter andeuten…

Ohne den Ankündigungstext gelesen zu haben, wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass der Anfang, die fließend eingeschränkten Bewegungen auf den Kugelmenschen von Platon hindeuten. Kolmanics und Scholz beginnen die Performance mit weichen, langsamen Bewegungen. Die Köpfe bleiben bedeckt mit ihren Pullovern. Die Hände, die Arme, der ganze Oberkörper bewegen sich unter dem Pullover, womit die Identität der menschlichen Körper verschleiert ist. Anschließend kriecht eine von den beiden auf dem Boden wie eine Raupe. Die Geschichte der Menschheit neu denken. Die Zivilisation, die Kultur durch das Prisma unsere Realität reflektieren zu lassen. Das Konzept vom Kugelmensch mit der physischen Verbindlichkeit, das Zusammenhängen ermöglicht den Zugang zu dem tiefsten Bedürfnis, das Geheimnis hinter der Existenz der Lebewesen zu lösen. 

Dieses Stück ist meiner Meinung nach aus zwei Perspektiven zu sehen: semiotisch und linguistisch. Zeichen, Symbole, Codes, womit die Sprache und die Körpersprache erschaffen wird, ergeben Sinn. Offensichtlich unterscheiden sich die Semiotik und die Linguistik voneinander in dem Sinne, dass erstere die Entschlüsselung von Codes ermöglicht, um eine größere Bedeutung zu erschließen, während letztere Codes und Symbole verwendet, um eine bestimmte Bedeutung zu erzeugen. Die Performance ist ein Beispiel dafür. Die Tänzerinnen geben sich körperlichen Codes hin, die global verstanden werden, indem sie darauf bestehen, dass das Physische, der Körper, frei von jeglichen menschlichen Vorurteilen und Vorverurteilungen ist. Die Verwendung von Wörtern, die die Sprache sofort spezifizieren, schafft jedoch einen Vordergrund, der die Wahrnehmung für diejenigen einschränkt, die die Bedeutung des Wortes nicht kennen. Die Untersuchung, die damit eröffnet wird, ist fesselnd und zwingt dazu, vom Besonderen zum Allgemeinen, vom Spezifischen zum Offenen, vom Kulturspezifischen zum Universellen zu denken.  

Während der gesamten Aufführung spielen die beiden Tänzer*innen mit Objekten. Objekte, die rund sind und unterschiedliche Größen und Eigenschaften haben. Jedes dieser Objekte hat einen bestimmten Namen, eine bestimmte Beschaffenheit und einen bestimmten Zweck, die für jede*n leicht wahrnehmbar sind. Dennoch erfüllen sie nicht den ihnen zugedachten Zweck. Die Tänzerinnen rezitieren diese Namen, verwenden sie in Sätzen, ohne auf ihre Bedeutung einzugehen. Ihre Aktionen, die diesen Worten folgen, schaffen ein Spiel des Jonglierens mit dem Angedeuteten und Suggestiven. Ich habe mich gefragt, wie ich es wahrgenommen hätte, wenn ich die Wörter/Sprache nicht verstanden hätte. Dennoch, wozu hilft es mir, tatsächlich die Sprache und die Wörter verstehen zu können…


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