Text zu „neworks - Aesthetics of Access/Microphone Controller“ (21. September 2024) von Akiles, ins Deutsche übersetzt von Gabi Beier
„Microphone Controller": Ein künstlerischer Dialog von Klang, Stille und Bewegung
Lukas Malkowskis „Microphone Controller“ ist eine vielschichtige Erkundung von Kommunikation, Stille und den Feinheiten des menschlichen Ausdrucks. Inspiriert von persönlichen Erfahrungen, nimmt die Performance das Publikum mit auf eine intensive Reise, die sich kontinuierlich steigert, wie ein Musikstück, das auf einen emotionalen Höhepunkt zusteuert. Durch diese Arbeit taucht Lukas tief in die Bedürfnisse, Wünsche und Ausdrucksformen von Tauben Menschen ein, einem bedeutenden, aber oft übersehenen Teil der Gesellschaft. Sein Vater, ein Tauber Politiker und Aktivist für die Rechte von Tauben Menschen, dient als Anker der Erzählung und bildet den emotionalen Kern für dieses zutiefst persönliche und authentische künstlerische Konzept.
Von Anfang an kommuniziert die Performance mehr als nur Bewegungen oder Klänge. Sie wird zu einem Dialog zwischen der inneren und der äußeren Welt, zwischen dem Stillen und dem Gehörten, zwischen Taubheit und den Geräuschen, die wir oft für selbstverständlich halten. Lukas' Beherrschung der Gebärdensprache spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn sie verwandelt jede Geste in eine Botschaft und jede Bewegung in eine Erklärung von Identität und Widerstand.
Im Vordergrund: ein Mikrofonständer. An der Seite der Bühne hält ein Kleiderständer eine Rockstar-Jacke. Lukas betritt die Szene in einem langen Satinmantel, der an einen Boxer erinnert, und einer Jeans darunter.
Eine Reise durch Klang und Stille
Die Aufführung beginnt mit intensiver Musik, einer klanglichen Kraft, die die Aufmerksamkeit des Publikums erregt. Die Geräuschkulisse gibt den Ton an für das, was folgen wird: eine kühne Erkundung der Spannung zwischen Klang und Stille. Lukas' Bewegungen wirken zunächst übertrieben, surreal und jenseitig, als würde er sich für einen Kampf mit seinem Körper und dem Raum selbst aufwärmen. Die Musik und die Choreografie stellen eine sich entwickelnde Beziehung zur Bühne her, wobei jede Note und jede Bewegung im Laufe der Aufführung immer besser aufeinander abgestimmt werden.
Einer der faszinierendsten und innovativsten Aspekte der Aufführung ist Lukas' Einsatz seines eigenen Körpers zur Klangerzeugung. An einer Stelle platziert er das Mikrofon an der Seite seines Halses, um die inneren Klänge seines Rachens zu verstärken. Dieser Akt verwischt die Grenze zwischen dem Inneren und dem Äußeren, zwischen dem, was gehört werden kann und dem, was nicht gehört werden kann. Durch die Umwandlung von Körpervibrationen in Schallwellen lädt Lukas das Publikum zu einer intimen und viszeralen Erfahrung ein, bei der der Klang nicht mehr nur äußerlich ist. Dennoch wird er zu einem integralen Bestandteil seiner physischen Präsenz auf der Bühne.
Diese verstärkte pharyngeale Klanglandschaft wird durch eine strategische Beleuchtung ergänzt, die Schatten wirft und die Bewegungen beleuchtet, um die Bühne dynamisch und lebendig wirken zu lassen.
Die Dramaturgie spielt eine Schlüsselrolle, indem sie die Konturen von Lukas' Präsenz hervorhebt und die Beziehung zwischen Bewegung, Klang, Licht, Kostüm und den Mikroelementen der Aufführung weiter intensiviert.
Die konzertähnliche Atmosphäre: Ein Rockstar auf dem Sprung
Im weiteren Verlauf der Aufführung nimmt die Bühne die Energie eines Rockkonzerts an. Die Beleuchtung wird lebendiger, die Klänge werden lauter und die Bewegungen ausgeprägter. Lukas verwandelt sich in vielerlei Hinsicht in einen Rockstar und fesselt die Aufmerksamkeit des Publikums mit seiner überlebensgroßen Präsenz. Dennoch ist dies kein traditionelles Konzert. Anstatt sich auf das äußere Spektakel zu konzentrieren, lenkt Lukas das Publikum nach innen und fordert es auf, über die tieferen Themen performativer Identität, Kommunikation und Rebellion nachzudenken.
Durch ein sorgfältig konstruiertes Bühnenbild, das von einer gewagten Wahl des Bühnenlichts bis hin zur Verwendung leuchtender Farben in Kostümen und Musik alles umfasst, wird die Aufführung zu einem sinnlichen Erlebnis. Jedes Element der Inszenierung, Klang, Licht, Kostüm und Bewegung, verwebt sich zu einem reichen Teppich von Emotionen und Bedeutungen. Die Choreografie ist komplex, mit Bewegungen, die oft das fragmentierte Identitätspuzzle widerspiegeln, das Lukas darzustellen versucht. Manchmal nimmt er eine defensive Haltung ein, während er an anderer Stelle die Bühne mit offenen Armen umarmt und so die Spannung zwischen Widerstand und Akzeptanz der Rollen verkörpert, die die Gesellschaft Menschen mit Behinderungen auferlegt.
Gebärdensprache als Bewegung und Bedeutung
Der wirkungsvollste und innovativste Aspekt von „Microphone Controller“ ist die Art und Weise, wie die Gebärdensprache in die Choreografie einbezogen wird. Für Lukas ist die Gebärdensprache nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern ein grundlegender Teil der Performance. Seine Hände sprechen Bände und vermitteln Emotionen, die Worte niemals ausdrücken könnten. Die Flüssigkeit seiner Gesten, kombiniert mit der Intensität seiner Mimik und Körpersprache, lässt die Performance wie einen Dialog ohne Worte erscheinen, eine Interaktion zwischen dem Tänzer und dem Publikum, die sprachliche Barrieren überwindet.
Die Verwendung der Gebärdensprache ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. Sie verwandelt eine Kommunikationsform in eine Form künstlerischen Ausdrucks. Das Publikum wird herausgefordert, sich mit der Gebärdensprache nicht nur als Alternative zur gesprochenen Sprache auseinanderzusetzen, sondern als eine Sprache der Bewegung und der Emotionen, die in der Lage ist, Freude, Wut, Rebellion und Verletzlichkeit auszudrücken. Durch die Gebärdensprache vertieft Lukas die Erzählung und lädt das Publikum dazu ein, über das gesprochene Wort hinaus zu sehen und den Reichtum der nonverbalen Kommunikation zu erleben.
Rebellion, Wut und Freude: Der emotionale Kern der Aufführung
Im weiteren Verlauf der Aufführung erkundet Lukas eine Reihe von Emotionen, von Wut bis Freude, von Rebellion bis Akzeptanz. Seine Bewegungen werden unberechenbarer, seine Atmung wird schwerer, bis die Intensität einen Fieberpegel erreicht. An diesem Punkt gerät die Performance fast außer Kontrolle und spiegelt den inneren Aufruhr des Tänzers wider, der sich mit dem Druck und den Erwartungen, die an ihn gestellt werden, auseinandersetzt. Die laute, übertriebene Atmung trägt zum Chaos bei, während Lukas seinen Körper bis an seine Grenzen treibt.
Die Einführung von Multimedia-Elementen unterstreicht dieses emotionale Crescendo. Kurze Videoclips flimmern über den Bildschirm und geben Einblicke in das Leben von Lukas. Ein fesselndes Video zeigt seinen Vater, der vor einer Menschenmenge eine Rede in Gebärdensprache hält, ein Moment, der den Aktivismus und die Stärke von Lukas' Familie verdeutlicht. Andere Videos zeigen intimere Szenen: Vater und Sohn kommunizieren mit Hilfe der Gebärdensprache, tanzen gemeinsam und lassen Erinnerungen aus Lukas' Kindheit aufleben. Diese zärtlichen Vignetten bieten einen Einblick in die Vergangenheit des Tänzers, verankern die Performance in der persönlichen Geschichte und verleihen der übergreifenden Erzählung eine emotionale Tiefe.
Rockkonzert und Stille: Ein kraftvoller Abschluss
Gegen Ende der Aufführung erreicht diese einen entscheidenden Punkt, der an die letzten Momente eines Rockkonzerts erinnert. Die Musik steigert sich zu einem donnernden Crescendo, Lichter blitzen auf, und Lukas' Bewegungen werden immer wilder und hektischer. Doch so schnell, wie sich die Intensität aufbaut, verflüchtigt sie sich wieder und hinterlässt eine eindringliche Stille. In dieser Stille bleiben nur Lukas' schweres Atmen und die leisen Atemzüge des Publikums. Es ist ein Moment tiefer Stille, in dem die Abwesenheit von Geräuschen lauter spricht, als es die Musik je könnte.
Diese abschließende Stille ist der perfekte Abschluss einer Aufführung, die sich durch die Erforschung von Klang und Stille definiert hat. Sie unterstreicht die Idee, dass es bei der Kommunikation nicht nur darum geht, was gesagt wird, sondern auch darum, was ungesagt bleibt. In diesem Moment kommuniziert Lukas mehr durch seine Stille und seinen Atem als durch seine Bewegungen und Klänge. Die Performance endet nicht mit einem Knall, sondern mit einem Flüstern, eine Erinnerung daran, dass es auch in der Stille Kraft und Bedeutung gibt.
„Microphone Controller“ ist eine über 50-minütige Performance, die mit dem Gefühl einer schnellen Reise in eine tiefe Welt endet. Es ist nicht nur eine Performance, es ist eine emotionale Reise, eine Reflexion über Identität, Kommunikation und die Komplexität des menschlichen Ausdrucks. Durch seinen innovativen Einsatz von Klang, Stille, Bewegung und Gebärdensprache fordert Lukas Malkowski das Publikum heraus, seine Wahrnehmung von Taubheit, Kommunikation und der Art, wie wir uns ausdrücken, zu überdenken.
Im Kern ist „Microphone Controller“ eine sehr persönliche Hommage an Lukas' Vater und die Gemeinschaft der Tauben Menschen im Allgemeinen. Es ist ein Werk, das die Kluft zwischen Klang und Stille, zwischen hörender und nicht-hörender Welt überbrückt. Indem er Elemente der Performancekunst, des Tanzes und des Aktivismus miteinander verbindet, hat Lukas ein universelles und besonderes Werk geschaffen, ein Zeugnis für die Kraft des authentischen Ausdrucks in all seinen Formen.
“Microphone Controller”: An Artistic Dialogue of Sound, Silence, and Movement
Lukas Malkowski's “Microphone Controller” is a multi-layered exploration of communication, silence, and the intricacies of human expression. Drawing inspiration from personal experiences, the performance takes the audience on an intense journey that continuously crescendos, like a piece of music building towards an emotional climax. Through this work, Lukas delves deep into the needs, wishes, and expressions of Deaf people, a significant yet often overlooked portion of society. His father, a Deaf politician and activist for Deaf people’s rights, serves as the anchor of the narrative, providing the emotional core for this deeply personal and authentic artistic concept.
From the outset, the performance communicates more than just movements or sounds. It becomes a dialogue between the internal and external worlds, between the silent and the auditory, between Deafness and the sounds we often take for granted. Lukas’ proficiency in sign language plays a critical role, transforming each gesture into a message and each movement into a declaration of identity and resistance.
At the forefront, a microphone stand. To the side of the stage, a clothes stand holds a rock star jacket. Lukas enters the scene wearing a long satin robe like a boxer's and jeans underneath.
A Journey Through Sound and Silence
The performance opens with intense music, a sonic force that grabs the audience's attention. The soundscape sets the tone for what is to follow: a bold exploration of the tension between sound and silence. Lukas’ movements initially appear exaggerated, surreal, and otherworldly, as if he is warming up for a fight with his body and the space itself. The music and choreography establish an evolving relationship with the stage, with each note and movement becoming more in tune with the other as the performance progresses.
One of the most intriguing and innovative aspects of the performance is Lukas’ use of his own body to produce sound. At one point, he places the microphone against the side of his neck, amplifying the internal sounds of his pharynx. This act blurs the boundary between the internal and the external, between what can and cannot be heard. By transforming bodily vibrations into sound waves, Lukas invites the audience into an intimate and visceral experience where sound is no longer merely external. Still, he becomes an integral part of his physical presence on stage.
This amplified pharyngeal soundscape is complemented by strategic lighting, which casts shadows and illuminates the movements to make the stage feel dynamic and alive.
The dramaturgy plays a key role, highlighting the contours of Lukas’ presence and further intensifying the relationship between movement, sound, light, costume, and the performance's microelements.
The Concert-like Atmosphere: A Rock Star in the Making
As the performance continues, the stage takes on the energy of a rock concert. The lighting becomes more vivid, the sounds louder, and the movements more pronounced. Lukas transforms into a rock star in many ways, capturing the audience's attention with his larger-than-life presence. Yet, this isn’t a traditional concert. Rather than focusing on the external spectacle, Lucas draws the audience inward, asking them to think about the deeper themes of performance identity, communication, and rebellion.
Through a carefully constructed set, which includes everything from bold lighting choices to the use of vibrant colors in costumes and music, the performance becomes a sensory experience. Each production element, sound, light, costume, and movement interweave to create a rich tapestry of emotions and meanings. The choreography is complex, with movements that often mirror the fragmented identity puzzle Lukas is trying to portray. At times, he adopts defensive positions, while at others, he embraces the stage with open arms, embodying the tension between resisting and accepting the roles society imposes on individuals with disabilities.
Sign Language as Movement and Meaning
The most potent and innovative aspect of the “Microphone Controller” is the way sign language is incorporated into the choreography. For Lukas, sign language is not just a tool for communication but a fundamental part of the performance. His hands speak volumes, conveying emotions that words could never encapsulate. The fluidity of his gestures, combined with the intensity of his facial expressions and body language, makes the performance feel like a dialogue without words, an interaction between the performer and the audience that transcends linguistic barriers.
The use of sign language in this context is profound. It transforms a mode of communication into an artistic form of expression. The audience is challenged to engage with sign language not just as an alternative to speech but as a language of movement and emotion, capable of expressing joy, anger, rebellion, and vulnerability. Through sign language, Lukas deepens the narrative, inviting the audience to see beyond the spoken word and experience the richness of non-verbal communication.
Rebellion, Anger, and Joy: The Emotional Core of the Performance
As the performance progresses, Lukas explores a range of emotions, from anger to joy, from rebellion to acceptance. His movements become more erratic, his breathing heavier, until the intensity reaches a fever pitch. At this point, the performance feels almost out of control, mirroring the dancer's inner turmoil as he grapples with the pressures and expectations placed on him. The loud, exaggerated breathing adds to the chaos as Lukas pushes his body to its limits.
The introduction of multimedia elements underscores this emotional crescendo. Short video clips flash across the screen, providing glimpses into Lukas's life. One compelling video shows his father delivering a speech through sign language in front of a crowd, a moment that speaks to the activism and strength that runs through Lukas’ family. Other videos depict more intimate scenes: father and son communicating through sign language, sharing dance moments, and reliving memories from Lukas' childhood. These tender vignettes offer a glimpse into the dancer's past, grounding the performance in personal history and adding an emotional depth to the overarching narrative.
Rock Concert and Silence: A Powerful Conclusion
As the performance nears its end, it reaches a pivotal point resembling a rock concert's final moments. The music builds to a thunderous crescendo, the lights flash rapidly, and Lukas’ movements become increasingly wild and frantic. But as quickly as the intensity builds, it dissipates, leaving a haunting silence behind. In this silence, only the sound of Lukas' labored breathing and the faint gasps of the audience remain. It is a moment of profound stillness, where the absence of sound speaks louder than the music ever could.
This final silence is the perfect conclusion to a performance that has defined its exploration of sound and silence. It reinforces the idea that communication is not just about what is said but also about what is left unsaid. In this moment, Lukas communicates more through his stillness and breath than through his movements and sounds. The performance ends not with a bang but with a whisper, a reminder that there is power and meaning even in silence.
“Microphone Controller” is an over 50-minute performance that ends with a feeling of a fast journey towards a deep world. It is not just a performance; it is an emotional journey, a reflection on identity, communication, and the complexities of human expression. Through his innovative use of sound, silence, movement, and sign language, Lukas Malkowski challenges the audience to rethink their perceptions of Deafness, communication, and how we express ourselves.
At its core, “Microphone Controller” is a deeply personal tribute to Lukas' father and the broader Deaf community. It is a work that bridges the gap between sound and silence, between hearing and nonhearing worlds. By blending performance art, dance, and activism elements, Lukas has created a universal and particular work, a testament to the power of authentic expression in all its forms.