Vorwort der Studioschreiberin 2019/20, Johanna Ackva
Liebe Leser*innen,
die Studioschreiberei lernte ich 2016 als Studentin und junge Künstlerin kennen, als das ada Studio mich willkommen hieß, meine Arbeit im Rahmen von NAH DRAN mit einem kleinen, aber feinen Publikum zu teilen. Damals, erinnere ich mich, fiel die Kritik an meinem Stück recht herb aus. Aber ich denke, das war wichtig. – Nicht, weil die Kritik recht hat, sondern weil wir tanzen, um zu berühren. Wir berühren uns selbst und andere auf so viele unterschiedliche Weisen, wie Menschen im Publikum sitzen. Und so war ich auch dankbar über jene herbe Kritik und bin noch immer dankbar über jeden ehrlichen, und umso mehr über jeden geistreichen, kunstvollen oder witzigen Bericht über das, was mein Tanz zu erleben einlädt.
Im Kern ist die Kritik nichts anderes als das, auch wenn sie darüber hinausgeht und das Erlebte mit Ähnlichem und Anderem vergleicht, mit Historischem, Aktuellem und Spekulativem in Verbindung bringt. Zugrunde liegt ihr die Erfahrung davon, wie die oder der Betrachtende berührt wurde.
Heute stelle ich mich selbst als Studioschreiberin vor. Ich freue ich mich auf das bevorstehende Jahr mit zwölf Einladungen, Stücke, Stückanfänge und Arbeitszwischenstände junger Kolleg*innen zu sehen und mich von ihnen berühren zu lassen. Ich bin gespannt darauf, wie sie meine Phantasie anregen und meine Denkweisen herausfordern werden. Und ich freue mich über die Aufgabe, dem Tanz mit der Bewegung meiner Worte antworten zu dürfen.
Im besten Fall werden meine Texte den Künstler*innen, Zuschauer*innen und vielleicht auch jenen, die den Abend gar nicht gesehen haben werden, etwas geben. Ebenso hoffe ich, mir selbst im Prozess des (Be-)Schreibens die Erlaubnis geben zu können, meiner Lust am Erleben und an der Sprache zu folgen.
Wenn Sie Kommentare, Fragen, Denkanstößen und/oder Feedback zu den Texten haben, kontaktieren Sie mich gerne über die Emailadresse studioschreiberin-201920(at)ada-studio.de.
Auf eine aufregende neue Tanzsaison im ada Studio und den lebendigen Dialog in Tanz, Wort und Schrift!
Johanna Ackva
Johanna Ackva ist Tänzerin und Choreografin mit Arbeits- und Lebensmittelpunkt in Berlin. Zentral für ihre Arbeit
sind Kollaborationen und kollektive Schaffensprozesse. So entstanden in den vergangenen Jahren u.a. Stücke mit Carrie McILwain ("Women and watery men", "EARTHBOUND SQUATTERS"), Magdalena Meindl
("diagrams of dependency", "Zähle mich zu den Mandeln I+II") und Philipp Enders ("Salt Lake"). Im Juni 2019 zeigte sie im Rahmen des Berliner Project Space Festivals "thank you for all the food
that i have received in my life" eine Prozession durch den öffentlichen Raum, performt von sechs Tänzer*innen und zwei Bläser*innen, die mit zirkulären und linearen Verlaufsformen spielen und die
Dynamiken des Miteinanders unter ihnen und mit dem Publikum verhandeln. Seit zwei Jahren interessiert sich Johanna verstärkt für Kulturen des Umgangs mit der Endlichkeit. Für diese Recherche
führt sie Gespräche mit Menschen, die beruflich wie privat mit Sterben und Tod in Berührung kommen. Sie ist Mitbegründerin des Berliner Kollektivs Suddenly, dessen zweites Stück "ESPRIT" 2019
Premiere feierte. Sie tanzt und performt für Künstler*innen unterschiedlicher Sparten und unterrichtet, u.a. als Gastdozentin an der Universität der Künste.
Foto: Vaidis Okulic Kazarinas