Text zu A.PART-Festival/Alumni.Tanz.Berlin (Programm 2) (25./26.5.2019) von Forough Fami (Übersetzung aus Farsi von Shahab Anousha)
Prolog:
Der zweite Teil von Alumni.Tanz.Berlin präsentiert Arbeiten des Kollektivs Nuasnomar tanz, Alumni von HZT, Danceworks und Dance Intensive Berlin. Die Stücke sind so vielfältig wie die Institutionen, an denen diese Künstler*innen absolviert haben.
nuasnomar tanz: ich bin so kurz_am Horizont (I am so short_ on the horizon)
Ich bin so kurz_am Horizont ist eine Collage, ein zeitgenössisches Tanzstück, das in seinen Strukturen von anderen Stilen und deren Ästhetik profitiert; nicht nur bei der Auswahl von Musik und Kostümen, sondern auch im Bewegungsvokabular.
Der Auftritt befindet sich im Hof.
Der Auftritt erfolgt mit dem Fahrrad:
Rote Kostüme bedecken drei weibliche Körper, die singen, fahren und auftreten.
Sie stehen mitten auf der „Bühne“, um etwas mit uns zu kommunizieren.
Ihre Münder bewegen sich wohl auf Spanisch und ihre Körper übersetzen es in harmonische, aber unterschiedliche Bewegungen.
Es geht um etwas Konkretes, was wir sehen.
Es geht um etwas Präzises, was wir hören.
Die Körper bewegen sich synchron.
Flüstern beginnt zwischen den Tänzerinnen und beschleunigt sich, Musik überwältigt es.
Nach ihrer Choreografie werfen sie etwas Unsichtbares in den Raum, genau wie den Klang ihres Flüsterns.
Die Choreografie trennt sie auch in Duos und Soli. Eine Konstellation, die im gesamten Stück immer wieder auftaucht. Obwohl diese Trennung und Momente des Duos das Potenzial haben, dramatische Erzählungen zu erzeugen, vermeidet das Stück aber dies. Die Performerinnen bleiben in ihren Aufgaben und vereinigen sich durch die Rückkehr der Musik wieder.
Das Stück ist leicht, weich und gleichzeitig stark.
Das Stück ist wie ein Kinderspiel, wird aber von Erwachsenen gespielt; zwischen Spielfreude und Ernsthaftigkeit.
Man könnte die Fortsetzung ihrer Bewegungen im Raum mitverfolgen,
man könnte ihre Sprünge sehen und viel Luft in ihren Haaren,
man könnte ihre Synchronschritte hören,
man könnte ihre Unterschiede bei der Erfüllung ihrer individuellen Aufgaben beobachten.
Jara Serrano: Ghost Insect
Im Gegensatz zum ersten Stück ist das zweite ein Bühnenstück mit einem Bühnenbild. Trotz des Stillstands atmet das Stück und wartet darauf, dass das Publikum in seine Ungewöhnlichkeit eintritt. In einem permanenten unheimlichen und atmosphärischen Sound ist ein gruseliges Ereignis eingefroren worden. Die Figuren sind fixiert, ebenso wie das Setting; ein schmelzender schwarzer Kubus ohne Wände und drinnen: ein schmelzender schwarzer Stuhl und eine Figur ganz in Schwarz wie eine menschliche Figur ohne Identität. Außerhalb des schwarzen Kubus im größeren weißen Kubus des Studios gibt es zwei farbige Figuren, die mitten in ihren Handlungen stehen geblieben sind.
Bis auf die Musik verharrt alles in einer ausgedehnten Stille.
Während des Stückes werden die Figuren abwechselnd, innerhalb und außerhalb des Kubus in Bewegung gesetzt. Die Schwarze verformt sich immer mehr und mehr und die anderen werden dabei freigeschaltet: wild und brutal.
Das ganze Stück funktioniert nicht auf der expressiven Choreografie der Bewegungen (wiederholtes Stoppen und abrupte Bewegungen aller drei Figuren), sondern auf der Choreografie der Situationen, die grotesk sind:
Alle drei Kreaturen des Stückes sind fantastische Wesen zwischen Mensch und Tier, entweder mit Masken oder körperlich (übertrieben) deformiert.
Was auf der Bühne passiert, wirkt ziemlich tragisch (die Verwandlung der schwarzen Figur nach der Erzählung von Kafkas Verwandlung oder wie die Figur von zwei anderen geschlachtet und gefressen wird), aber das Stück hat immer noch eine Schicht von satirischer Komödie.
Das Stück dauert zwar ziemlich kurz, bietet aber interessanterweise ein relativ aufwändiges Kostüm- und Bühnenbild, was meiner Erfahrung nach für die Tanzstücke in diesem eher kleinen Studio selten ist.
Shauna McWilliams: restless
Ein Solo! Rein in der Körperlichkeit! Ohne jegliche Einrichtung oder spezielles Kostüm.
Der Tanz beginnt und geht meist in einer vertikalen Ebene, in der Mitte der Bühne, weiter. Es gibt ein Rauschen, mit dem Shauna sich mit ihren Bewegungen verbindet oder trennt, ebenso das gleiche mit dem Licht. Einfache Lichtwechsel, die den Fokus entweder auf den mittleren Raum oder durch Vergrößerung der beleuchteten Fläche richten, öffnen das gesamte Studio.
restless ist auch ein kurzes Stück, in dem die wahrnehmbaren Situationen nur durch die Körperaktivitäten erzeugt werden. Die Choreografie basiert auf einer Sequenz, die in ihrer chaotischen Form mehr oder weniger gleich bleibt und sich im Laufe der Zeit intensiviert.
Man muss sich hier einem ganz anderen Blickwinkel zuwenden, wie bei den meisten abstrakten Tanzstücken, oder ähnlich wie das Betrachten der Natur:
Du bist der Beobachter der Ereignisse, die gemäß ihrer Logik ablaufen, und sie schaffen ein System, auf dem verschiedene Gedanken projiziert werden können.
Was ich in restless sehe, ist eine kindliche Ausdauer und Hartnäckigkeit. Kindlich als positive treibende Eigenschaft. Wie wenn ein Kind darauf besteht, etwas zu gewinnen und nach einer Weile das Verlangen in sich selbst hinein und heraus rutscht, weicht der Fokus allmählich vom gewünschten Objekt zur Aktion des Beharrens ab.
In diesem Sinne vollzieht sich langsam ein Wechsel von ihrer Vorstellung von rastlosem, überlastetem Kopf zu gereiztem, angespanntem Körper, der laut, schnell und tief vor stillen (Zuschauer-)Augen atmet.
Noga Abramovitch, Helen Burghardt & Zoe Goldstein: The horror woman a.k.a too dark … too sweet … too dead?
Das Stück ist ein Trio aus verschiedenen Körpern/Figuren; drei Frauen, Freunde, alle in weißen Kleidern.
Sie bilden ein Dreieck, und während sie dem Publikum gegenüber stehen, beginnen sie ein Gespräch über die Horrorfilme.
Während der kurzen Momente des Blackouts verändern sie die Konstellation dieses Dreiecks. Im Laufe der Zeit verzückt sich ihr Gespräch und nimmt die Form von Sätzen an, die nicht mehr an irgend jemanden, sondern an den Raum gerichtet sind.
Der nächste Blackout nimmt auch die Worte weg. Jetzt gibt es ein Dreieck von drei jungen Frauen in weißen Kleidern, die schwer atmen und zittern, wie eine Manifestation einer Wut, wenn keine Bewegungen und Worte erlaubt sind.
Der nächste Blackout, und dann wenden sie ihren Blick auf uns und eine von ihnen schreit lautlos in Zeitlupe.
Stille folgt, aber in der Stille steckt noch etwas. Sie schauen uns nur an, aber etwas sieht nicht mehr selbstverständlich aus, etwas Geheimnisvolles.
Sind wir Zuschauer, der/die nur zuschaut oder diejenigen, die beobachtet werden?
Sehen sie uns?
Haben sie Angst vor uns?
Oder sind wir in ihrer Welt einfach unsichtbar?
Sind wir zwischen ihnen und was ihnen Angst macht?
Sollten wir auch Angst haben?
Der Atem tritt in diese weißen Statuen ein und lässt sie wie Angstschreie klingen. Ihr Schrecken und ihre Körperreaktionen eskalieren allmählich, um den Höhepunkt zu erreichen und vom Höhepunkt, in einem weißen, schwachen blinkenden Licht. Sie kriechen auf dem Boden herum, um sich zu verwandeln.
Sie fangen an (theatralisch) zu bluten und bekommen eine Art Euphorie aus dem Schrecken. Als ob sich am Ende der Geschichte das ganze Szenario gedreht hätte. Diese drei blutigen Frauen könnten diejenigen sein, die die ersten drei Freundinnen am Anfang erschreckt haben.
Da es sich bei diesem Stück um eine Mischung handelt, die Elemente aus dem Bereich Film, Theater und Tanz zusammenbringt, ist es durchaus interessant zu beobachten: Die Grenze, die Tanz und Theater spezifiziert.
Und der Unterschied zwischen ihnen in Bezug auf die performativen Ansätze des Körpers.