Text zu „reinkommen“ (8. April 2022) von Sharón Mercado Nogales, ins Deutsche übersetzt von Pancha

 

 

On April 8, 2022, ada studio hosted the showing of Hannah Heyde and Vasundhara Srivasatava in the frame of “reinkommen”. Both graduated recently from their dance education and last month they had the opportunity to work at the studio which led them to dig deeper on the different questions around their femininity, background, context and experiences. I would like to highlight a sentence I saw as part of the text description of the show: “Creating art becomes so much easier when also being friends…”

 

Once the audience took their seats, Hannah and Vasundhara introduced a bit of their studio practice, their background and their interest in working together…The studio is empty,  two young bodies are in the space, they are wearing similar clothes, for some seconds you can feel some preparation to move or dance… a voice in off starts  -What does It mean to be a woman? What does this role in society mean?-. Hannah walks to the center of the space and she moves looking at us, she dances as if she is trying to express what this question revolves in herself, Vasundhara has the same task. I asked myself:

 

how much rage a body can dance

how desperation becomes calmness 

how delicate the movement needs to be and create resonance

how deep you need to rethink, remember, recall the heaviness of your arms and legs, to don’t regret and find some synchronicity

 

They both dance, they danced in a language we (the dancers) can recognise and I questioned what actually means contemporary dance. I notice that their eyes don’t hide, they are explicitly with us and showing two female bodies, their security travels from their eyes to their core and from their core to their eyes, two trained bodies. I question, how does society consume a body? The sensuality appears in transit, as an element I need to trace constantly.

 

As an audience member/dancer I can tell about the associations that this work brings, or talk about the execution of the choreography. As a woman I could relate to the question and again question the practice of feminism in general and probably I will think about the different layers that can be invisibilized and could ended up invisibilizing many other minorities that are being oppressed since colonialism. What stayed with me and I feel it is important to write  about is how dance can be the main source and the first answer to open those questions or topics. What it does, when you work from the body and you insist on working from the body as your first archive of wounds. How important it is to have a companion in certain processes, one that answers differently and sometimes similar to you, the questions are shared and transformed from the practice of weaving in pair.

 

After the show I stayed talking with a friend about the spaces/institutions that validate what is the current notion of contemporary dance in Berlin and how those forces establish a kind of aesthetic within the main bubble of the dance scene. It seemed relevant to question the agency of those spaces/institutions. The work I saw last friday triggered the idea, which is most of the time for granted, about the notion of what kind of dance should belong to a certain space. It made me think of the relocation as a curatorial practice, how this can create new meeting points in terms of visibility and new starting points in terms of creation. 

 

Am 8. April 2022 fand im ada Studio das Showing von Hannah Heyde und Vasundhara Srivasatava im Rahmen von „reinkommen“ statt. Beide haben kürzlich ihre Tanzausbildung abgeschlossen und hatten letzten Monat die Möglichkeit, im Studio zu arbeiten, was sie dazu veranlasste, sich mit verschiedenen Fragen rund um ihre Weiblichkeit, ihren Hintergrund, ihren Kontext und ihre Erfahrungen auseinanderzusetzen. Ich möchte auf einen Satz hinweisen, den ich als Teil der Textbeschreibung der Performance gesehen habe: „Kunst zu schaffen wird so viel einfacher, wenn man auch befreundet ist...“ 

 

Nachdem das Publikum Platz genommen hatte, stellten Hannah und Vasundhara ihre Studiopraxis, ihren Hintergrund und ihr Interesse an ihrer Zusammenarbeit vor... Das Studio ist leer, zwei junge Körper stehen im Raum, sie tragen ähnliche Kleidung. Für einige Sekunden kann man die Vorbereitung auf Bewegung oder Tanz spüren... eine Off-Stimme beginnt: - Was es bedeutet eine Frau zu sein? Was bedeutet diese Rolle in der Gesellschaft? -. Hannah geht in die Mitte des Raumes; sie bewegt sich und schaut uns an, sie tanzt, als ob sie versucht auszudrücken, was diese Frage in ihr auslöst. Vasundhara hat die gleiche Aufgabe. Ich habe mich gefragt:

 

Wie viel Wut ein Körper tanzen kann

Wie aus Verzweiflung Gelassenheit wird 

Wie fein die Bewegung sein muss, um Resonanz zu erzeugen

Wie tief man umdenken, sich erinnern, die Schwere der Arme und Beine abrufen muss, um nicht zu bereuen und eine Synchronität zu finden.

 

Sie beide tanzen in einer Sprache, die wir als Tänzer*innen erkennen können, und ich frage mich, was eigentlich zeitgenössischer Tanz bedeutet. Ich bemerke, dass sie ihre Augen nicht verstecken; sie sind explizit uns gegenüber und während sie ihre zwei weiblichen Körper zeigen, wandert ihre Sicherheit von ihren Augen zu ihrem Kern und von ihrem Kern zu ihren Augen. Zwei trainierte Körper. Ich frage mich, wie kann die Gesellschaft einen Körper konsumieren? Die Sinnlichkeit erscheint als ein Element, dem ich ständig nachspüren muss.

 

Als Zuschauerin/Tänzerin kann ich über die Assoziationen berichten, die dieses Werk in mir hervorrief, oder über die Ausführung der Choreografie. Als Frau könnte ich mich auf die Frage persönlich beziehen und wiederum die Praxis des Feminismus im Allgemeinen in Frage stellen. Ich werde angeregt, über die verschiedenen Ebenen nachzudenken, die unsichtbar gemacht werden können und die letztendlich viele andere Minderheiten, die seit dem Beginn des Kolonialismus unterdrückt werden, unsichtbar machen könnten. Was bei mir hängen geblieben ist und worüber ich zu schreiben für wichtig halte, ist, dass der Tanz die Hauptquelle und die erste Antwort auf diese Fragen oder Themen sein kann. Was es bewirkt, wenn man mit dem Körper arbeitet und darauf beharrt, ihn als erstes Archiv der Wunden zu behandeln. Wie wichtig es ist, in bestimmten Prozessen eine begleitende Person zu haben, die anders und manchmal ähnlich antwortet wie man selbst. Die Fragen werden miteinander geteilt und durch die Praxis des Webens zu zweit transformiert.

 

Nach der Show unterhielt ich mich mit einer Freundin über die Räume/Institutionen, die die aktuelle Vorstellung von zeitgenössischem Tanz in Berlin bestätigen, und darüber, wie diese Mächte eine Art von Ästhetik innerhalb der großen Blase der Tanzszene etablieren. Es schien mir relevant, das Wirken dieser Räume/Institutionen zu hinterfragen. Die Arbeit, die ich letzten Freitag gesehen habe, hat die Idee ausgelöst, die meistens als selbstverständlich angesehen wird, nämlich die Vorstellung, welche Art von Tanz zu einem bestimmten Raum gehören sollte. Es brachte mich dazu, über die Verlagerung als kuratorische Praxis nachzudenken und darüber, wie dies neue Treffpunkte in Bezug auf die Sichtbarkeit und neue Ausgangspunkte in Bezug auf die Kreation schaffen kann. 


Das ada Studio wird seit 2008 als Produktionsort von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt gefördert.


 

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