Text zu „reinkommen“ (9. Juli 2021) von Sharón Mercado Nogales, ins Deutsche übersetzt von Auro Orso

 

 

Because I looked at my feet I saw my bright red shoe

I usually don’t use rings

but I can recognize the sensation of the warm metal around my finger

I could remember the uncomfortable feeling of my hand

I feel strange in this position

After 20 seconds I question the possibilities of my body.

 

On Friday, July 9, ada studio opened the doors for “reinkommen” where young choreographers open their work process to the audience and get into conversation. On this occasion Alice Heyward shared her research around what I will call -new perceptions to experience a performance-. By reading in the program “…how dance and performance goes beyond its visual form” I started to imagine the different possibilities of experiencing a certain performative situation without the eyes.

 

It’s Friday night and everybody gathered outside to get their tickets, once the studio was filled, Alice introduced herself and the material she prepare to share after working in the studio for two and a half weeks. The roar material she shared, are body practices in dialogue with audio descriptions she found during her research. As an audience member, I very much appreciate the clarity and the simplicity of the structure she found to start and retake live performances at Ada studios again.

I keep on thinking how valuable it is to have a live audience for this kind of research and at this point of the work process of Alice. It made me wonder about the relation between Performer and audience and the many possibilities of interacting beyond the dance.

 

The performer sat down with the audience and with her eyes closed, she started to describe a particular space using the “we” as a manner to involve us in this narrative. It became like zooming into a very specific description, going from a landscape to our bodies and later to our sensations and feelings. At some point, during this description, she walks to the space to move and follow the movement narration. Unconsciously I was trying to look at the coherence and the synchronicity of the movement and the voice, which made me question how fast we acknowledge movement and how fast we acknowledge words. It look as if I want to synchronize the words with the movement of the lips and the mouth. In the practice Alice shared, she played between the “we” and “I” which created the sensation of doing the practice with her, without her, alone or just simply seeing what she does or hearing what she says. As a dancer it blurs the experience of perception through imaging my body doing the movement and choreography. What happens when you are not a dancer? And you have a different connection to your body.

 

If I could choose where in my body I could place my eyes, where would it be? I find body description very political, in the sense of what I will describe will be in the frame of how my body experience is built. What kind of words do I choose? I just mention these comments I wrote in my notebook during the performance, to communicate the babbles or first impression I had last Friday.

 

After 1 minute I decided to stop

I stop rough and dry

I looked at the sky with the tiny toe of my feet

While my shoulder shift its view towards the left

I don't know where is my face

 

The second practice was dealing with questions: Do you trust your eyes? I immediately answered No, I asked myself no? Are you sure? I affirm yes, of course no! For a long time I thought that my eyes are the struggle between what I dance with what I think I’m dancing. The question of trusting my eyes kept me busy for a while. This second part changed my logic completely. I was deciding between watching the performer move or hear all the questions she’s saying. Even I decided to follow the thought of that specific question in my mind, while the dance was continuing as it would feed my vision and for some moment it would catch the thread of my thought.

 

For the last practice, the performer moves in the space with arms and legs as if they want to draw specific patterns in the air. Seeing her constant movement with slight changes, made me open the subjectivities that are beyond the words and beyond my thinking language brain. Within this practice I thought about subjectivities that can’t own a translation, subjectivities that come just to visit without explaining themselves or maybe it carries a simple “I don’t know” inside.

 

 

 

Da ich auf meine Füße blickte, sah ich meinen knallroten Schuh

Eigentlich trage ich keine Ringe

Doch ich erkenne das Gefühl des warmen Metalls um meinen Finger

Ich erinnere mich an das unangenehme Gefühl an meiner Hand

Ich fühle mich seltsam in dieser Position

Nach 20 Sekunden stelle ich die Möglichkeiten meines Körpers in Frage.

 

Am Freitag, dem 9. Juli 2021, öffnete das ada Studio seine Türen für reinkommen, ein Format, in dem junge Choreograf*innen ihren Arbeitsprozess für das Publikum zugänglich machen und ins Gespräch kommen. Bei dieser Gelegenheit teilte Alice Heyward ihre Recherche rund um das, was ich -neue Wahrnehmungen zum Erleben einer Performance- nenne. Beim Lesen des Programmabschnitts ...wie Tanz und Performance über ihre visuelle Form hinausgehen begann ich mir die verschiedenen Möglichkeiten vorzustellen, eine performative Situation ohne Augen zu erleben.

 

Es ist Freitagabend und alle versammelten sich draußen, um ihre Ticket zu bekommen. Als das Studio gefüllt war, stellte Alice sich selbst und das Material vor, welches sie nach zweieinhalbwöchiger Arbeit im Studio zum Teilen vorbereitet hatte. Das präsentierte Material sind Körperpraktiken im Dialog mit Audiobeschreibungen, die während ihrer Recherche entstanden. Als Publikumsmitglied schätze ich die Klarheit und die Einfachheit ihrer Struktur, um Live-Performances im ada Studio wieder aufzunehmen.

Ich denke daran, wie wertvoll es ist, ein Live-Publikum für diese Art von Recherche und an diesem Punkt des Arbeitsprozesses, an dem Alice sich befindet, zu haben. Die Beziehung zwischen Performer*innen und Publikum und die vielen Möglichkeiten der Interaktion, welche über den Tanz hinausgehen, brachten mich zum Nachdenken.

 

Die Performerin setzte sich zu den Zusehenden und begann mit geschlossenen Augen, einen bestimmten Raum zu beschreiben. Um uns in die Erzählung mit einzubeziehen, benutzte sie die Wir-Form. Ein Heranzoomen in eine sehr spezifische Beschreibung, die von einer Landschaft zu unseren Körpern und später zu unseren Empfindungen und Gefühlen führt. An einem gewissen Punkt der Beschreibung betritt sie die Bühne, um sich zu bewegen und den Bewegungsnarrativen zu folgen.

 

Unbewusst versuchte ich, die Kohärenz und die Synchronität der Bewegung und der Stimme zu betrachten, dies verleitete mich dazu, zu hinterfragen, wie schnell wir Bewegung und wie schnell wir Worte wahrnehmen. Es scheint mir, als wollte ich die Worte mit der Bewegung der Lippen und des Mundes synchronisieren. Alices Wechselspiel aus wir und ich kreiert den Sinneseindruck, die Praxis mit ihr, ohne sie, allein zu erfahren. Oder einfach nur zu sehen, was sie tut oder zu hören, was sie sagt und tut. Als Tänzerin verwischt meine Erfahrung der Wahrnehmung, indem ich mir vorstelle, dass mein Körper die Bewegung und die Choreografie ausführt. Was passiert bei Nicht-Tanzschaffenden? Eine andere Verbindung zum eigenen Körper.

 

 

An welcher Stelle meines Körpers würde ich meine Augen platzieren, wenn ich es mir aussuchen könnte? Ich finde Körperbeschreibungen sehr politisch, denn das, was ich beschreibe, wird durch meine eigene Körpererfahrung bedingt. Welche Art von Worten wähle ich? Ich erwähne diese Kommentare, die ich während der Performance in mein Notizbuch geschrieben habe, um das Geplapper oder den ersten Eindruck mitzuteilen, den ich an dem Freitag hatte.

 

Nach 1 Minute beschloss ich aufzuhören

Ich höre grob und trocken auf

Mit meinem kleinen Zeh sah ich den Himmel an

Während meine Schulter ihren Blick nach links richtet

Ich weiß nicht, wo mein Gesicht ist

 

Die zweite Praxis beschäftigte sich mit den Fragen: Traust du deinen Augen? Ich antwortete sofort mit Nein, und ich fragte mich daraufhin: Nein? Bist du dir sicher? Ich bejahte, natürlich nein! Lange Zeit dachte ich, dass meine Augen der Kampf zwischen dem, was ich tanze, und dem, was ich denke, das ich tanze, sind. Die Frage, ob ich meinen Augen trauen kann, beschäftigte mich eine Weile. Dieser zweite Teil veränderte meine Denkweise komplett. Ich war beschäftigt mit der Entscheidung, entweder die Bewegung der Performerin zu beobachten oder all den von ihr gestellten Fragen zuzuhören. Ich entschied mich sogar, dem Gedanken an diese spezielle Frage in meinem Kopf zu folgen, während der Tanz weiterlief, da er meine Vision fütterte und für einen Moment den Faden meiner Gedanken aufnahm.

 

In der letzten Praxis bewegt die Performerin ihre Beine und Arme im Raum, als wolle sie bestimmte Muster in die Luft zeichnen. Ihre konstante Bewegung mit leichten Veränderungen zu sehen, ließ mich die Subjektivitäten öffnen, die jenseits der Worte und jenseits meines denkenden Sprachgehirns liegen. Innerhalb dieser Praxis dachte ich über Subjektivitäten nach, die keine Übersetzung besitzen können, Subjektivitäten, die nur zu Besuch kommen, ohne sich zu erklären, oder die vielleicht ein einfaches Ich weiß es nicht in sich tragen. 

 


Das ada Studio wird seit 2008 als Produktionsort von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt gefördert.


 

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