Text #1 zum A.PART - Festival für Berliner Tanz-Studierende und Alumni (18. April bis 17. Mai 2020) von Johanna Ackva

 

 

Zum zweiten Mal vereint das A.PART - Festival für Berliner Tanz-Studierende und Alumni Arbeiten von Studierenden und Absolvent*innen Berliner Tanzausbildungen unter einem Dach. Eingeladen von den Kurator*innen Diethild Meier und Julek Kreutzer waren die Studierenden mit fertigen Stücken, die Absolvent*innen mit Konzepten für neue Arbeiten, die im Rahmen des Festivals realisiert und gezeigt werden sollten. Aufgrund der aktuellen Einschränkungen sieht das Festival nun ganz anders aus: Die Künstler*innen teilen ihre Arbeit nicht auf der Bühne, sondern auf einem Blog. Wer nun Unlust und Enttäuschung in sich aufkommen spürt, weil ihr*ihm die allgegenwärtigen Versuche der Digitalisierung von Live-Performance bereits auf die Nerven gehen, hat mein vollstes Verständnis. Und trotzdem sage ich: eine Erkundungstour durch den Blog lohnt sich auf jeden Fall! Denn A.PART ist in diesem Jahr viel mehr oder – gar – etwas ganz anderes als eine Auswahl von Stücken.

 

Statt zu versuchen, fertige Arbeiten, die von Anwesenheit, vom Geruch, der Berührung, von Atemzügen im selben Raum leben, in ein filmisches Format zu überführen, ist A.PART in diesem Jahr eine Plattform, auf der die Künstler*innen ihre Arbeitsprozesse offenlegen, Konzepte, Experimente und auch Entdeckungen am Rande des Weges dokumentieren. Auf ihren jeweiligen Seiten zeigen sie Zeichnungen, Texte, Fotografien und kurze Filme. Selbst all jene, die ein fertiges Stück parat hatten, machen jetzt noch einmal den Deckel auf. Dabei geht es auch darum, wie die Arbeit an/in Tanz und Performance in der aktuellen Situation weiter gehen kann, und was nun anders ist. Was passiert, wenn physische Räume und andere Körper wegfallen? Welche ungeahnten Gegenüber und versteckten Nischen treten vielleicht in Erscheinung?

 

Der Blog ist ein Zeugnis vielseitiger Formen des Umgang mit ungeplanten und ungeahnten Umständen, so wie wir sie jetzt erleben. Als solcher ist er eine wahre Inspiration! Sei es dafür, die eigenen Krisenmomente in eine Gedichtserie zu verwandeln. Sei es, um über die ästhetischen Aspekte neuer Raumaufteilungen nachzudenken, die notwendig werden, wenn was ehemals ein Schlafzimmer war, nun auch ein Homeoffice und ein Fitnessstudio beherbergen soll. In diesem Sinne spricht der A.PART als Blog nicht zuletzt auch über das Wesen künstlerischer Arbeit, die, im Bereich der Darstellenden Künste vielleicht noch einmal mehr, erfordert, dass wir Entscheidungen treffen, Rahmen geben und Strukturen schaffen, in einem wildwachsenden Feld kontingenter Faktoren.

 

Für gewöhnlich ist diese Arbeit für Außenstehende unsichtbar. Und so nennt Gabi Beier treffenderweise das, was gerade auf dem Blog passiert, einen „verborgenen Schatz, den das Publikum jetzt heben darf“. Darüber hinaus ist diese Geste der Transparentmachung künstlerischer, tänzerischer und choreografischer Praxis auch kulturpolitisch relevant. Denn nicht nur das Publikum, sondern auch Fördergeber*innen haben mitunter nur vage Vorstellungen davon, wie groß der Eisberg der Arbeit ist, dessen Gipfel wir an einem Tanzabend auf der Bühne sehen. Das Pilotprojekt Tanzpraxis, das jetzt gerade in den Startlöchern steht, wird als deutschlandweit bisher einziges derartiges Fördermittel dieser unsichtbaren Arbeit erstmals Rechnung tragen. Ab Juli 2020 sollen ca. 30 Berliner Tanzschaffende darüber ein Langzeitstipendium zur Pflege und Entwicklung ihrer täglichen künstlerischen Praxis bekommen.

 

Die Vielfalt und Komplexität der Arbeitsweisen, sowie der produktive Austausch unter den Künstler*innen, die auf dem A.PART-Blog sichtbar werden, können uns eine Idee davon geben, wie wert- und sinnvoll eine solche Unterstützung ist. Kunst sucht nach anderen Formen des in-der-Welt-seins, wie es beispielsweise Silja Tuovinen bei ihren Erkundungen des Waldes tut. Und sie schafft kritische Distanz zum Selbstverständlichen.Do they really think we are waiting to buy a new bag?“ fragt etwa Amy van Weert angesichts der Wiedereröffnung der Geschäfte in Belgien. Ich bin gespannt, was es in den nächsten Tagen und Wochen noch auf dem A.PART-Blog zu entdecken gibt!

 

Hier geht es zum Text #2 und hier zum Text #3 über das A.PART - Festival für Berliner Tanz-Studierende und Alumni.


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